Gerechtfertigte Ansprüche

Gerechtfertigte Ansprüche – ein Essay, oder ist es ein Kommentar?

Als Künstler habe ich mir mein Schicksal selbst ausgesucht. Ich habe mich damit arrangiert, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht unsterblich, reich oder berühmt zu werden, habe mich damit abgefunden, dass ich eine gewisse Form von Sicherheit, sowohl materieller wie auch existentiellen Natur nie haben werde.

Dennoch gibt es einige Dinge, auf die ich nicht verzichten möchte. Da wäre zum einen die Würde, die mir zusteht, als Künstler auch als solches akzeptiert und wahrgenommen zu werden. Fragen Sie Herrn Maier mal die deutscheste aller Fragen: „Und was machen Sie so…“ er wird Ihnen antworten: „Ich bin Kemptner, arbeitslos zurzeit“. Und Sie werden denken: „Ein Kemptner also…“. Fragen Sie einen Künstler, und antwortet er Ihnen wahrheitsgemäß, so werden Sie weiter fragen: „…und was machen sie beruflich?“. In dieser Frage schlummern alle Vorurteile, aller Neid und alle Klischees die gegenüber Künstlern bzw. kreativ tätigen Menschen in unserer Gesellschaft vorherrschen; Kreative sind faule, narzisstische Individualisten, die ihre Arbeitskraft in sinnfreie Selbstverwirklichung stecken, anstatt sie dem Volkskörper zu Verfügung zu stellen. Das äußerste Maß an Respekt, welches einem Künstler in diesen Zeiten entgegengebracht wird ist die höfliche Nachfrage “…und verdienen Sie auch Geld damit?“. Dabei wäre die (für mich) viel wichtigere Frage: „…und was kann Ihre Kunst unserer Gesellschaft bringen, wie kann sie zu unserem Wohlbefinden, Fortschritt oder unserer Selbstreflexion beitragen. Was bezwecken Sie mit Ihrer Kunst, und wo kann man sie sehen…“

Ich persönlich stelle viele meiner Arbeiten unter eine sogenannte Creative Commons Lizenz, d.h. die Werke sind (unter gewissen Voraussetzungen) für Privatpersonen frei und kostenlos zugänglich und zu verbreiten, bzw. zu kopieren. Wenn ich ein primär finanzielles Interesse hätte, so würde ich diesen Schritt wohl kaum gegangen sein. Ich bin auch sehr genügsam, wie viele meiner Kollegen. Solange ich die Produktionsmittel, einen Produktionsort und ein Mindestmass an kreatürlicher Sicherheit habe bin ich zufrieden. Und es geht den meisten Künstlern die ich kenne so, oder so ähnlich. Ihre Träume rangieren ehr im Bereich des „…wie kann ich mir Rahmen für meine Bilder leisten und dennoch die Miete zahlen…“ als in Gefilden von „…wie kann ich mein Luxus-Auto in meinen Luxus-Carport neben meine Lusxus-Villa parken…“. Mein Interesse ist ein kommunikatives. Ich brauche auch keinen Welterfolg. Wäre natürlich / vielleicht auch nicht schlecht, ich will ehrlich sein. Doch im Grunde meines Herzens sehne ich mich nach einem echten, kleinen aber feinen Publikum von realen Personen, mit denen ich in direkten Kontakt treten kann, von denen ich sofortiges und authentisches Feedback erhalte, aus welchem ich lernen kann um mich immer weiter zu entwickeln. Dazu sind Freiräume nötig, die zurzeit gerade ehr weniger denn mehr werden. Und um ein klassisches Vorurteil auszuräumen: Ja wir sind zu viele Künstler. Wir sind aber auch zu viele Kemptner und Putzfrauen und Steuerberater und…

Zuletzt möchte ich die Möglichkeit haben, mein Wissen und meine Erfahrung zu teilen, mit Kunstkonsumenten aber auch mit Kunstproduzenten. Und dies möglichst weit gestreut. Nicht alle Künstler reisen gerne, doch ich finde (für mich) vieles an anderen Ländern, Sitten und Kulturen bereichernd, und im Sinne der „Einheit der Vielfalt“ ist ein solches Vorgehen anerkannterweise ein wichtiges Element einer positiven Globalisierungssteuerung, in der der kulturelle Austausch und nicht nur der von Waren im Vordergrund steht.

Eines muss allerdings deutlich und klar gesagt werden: diese Wünsche werden uns Künstlern nicht einfach so erfüllt werden, wir werden uns unsere Rechte (wieder) erkämpfen müssen. Und da ist das Alpha und das Omega die Solidarität, die unter Künstlern, sagen wir einmal, sehr begrenzt ist. Das hat ihnen jede Kemptnergewerkschaft voraus. Wenn das Geld oder der Respekt nicht stimmt, dann werden einfach mal die Rohre nicht gereinigt. Und spätestens nach 1 Woche Selbsterfahrung mit den eigenen Fäkalien ist man dann doch zumindest gesprächsbereit.

Ob genossenschaftliche Modelle, gewerkschaftliche oder ganz neue Konzepte fruchten werden oder die Künstler weiterhin am Rand der Gesellschaft (bis auf wirklich wenige Ausnahmen) stehen ist ihnen vor allem selbst überlassen. Auf die Hilfe des Staates oder der Gesellschaft sollten sie zurzeit nicht bauen. Beide sind gegenwärtig allzu sehr mit ihrem eigenen Existenzkampf befasst…

Berlin, den 07.03.2012

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